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Das ‚Schwarze Brett’ des Digitalzeitalters

Foto: Pexels/pixabay

Ob im Supermarkt oder im Verein, in der WG oder unten im Hausflur: Schwarze Bretter sind eigentlich immer interessant. Allein die Mischung der Themen ist faszinierend, vom Yoga-Kurs übers gebrauchte Fahrrad bis hin zum Megapack Windeln, ‚kostenlos abzugeben und garantiert unbenutzt’. Auch eine Anzeige wie ‚Suche Nachhilfe für Mate 3 Klase“ stimmt nachdenklich. Wie bunt ist doch die Welt.

Im Zeitalter der digitalen Kommunikation wirkt die gute alte Pinnwand irgendwie retro, so völlig analog und überhaupt nicht zeitgemäß. Aber es wäre wirklich schade, sie aussterben zu sehen.

Ein wenig Wehmut

Ganz richtig, hier schwingt ein wenig Wehmut mit. Warum? Erinnern wir uns kurz an die Schreibmaschine. Wenn früher zwischen gedämpftem Geklacker von nebenan ein Weilchen Stille war, dann wusste man: Da denkt jemand nach. Ein irgendwie beruhigender Gedanke.

Wenn heute Menschen minutenlang auf einen Schirm vor sich starren, allenfalls gelegentlich der Zeigefinger über der Maustaste zuckt, dann fühlt sich das von außen betrachtet anders an.

Vielleicht versuchen sie ja gerade, die Summen der Spalten Einnahmen und Ausgaben zumindest annähernd in Einklang zu bringen. Mag sein. Vielleicht sollen aber stattdessen die bunten Kügelchen so durch die genauso bunten Röhren kullern, dass die hübsche Prinzessin nicht von dem fiesen Fisch gefressen wird. Oder verbrennt. Ertrinkt. Auf exotische Weise verelendet. Mag auch sein. Man weiß es halt nicht.

Kein Zweifel – oder doch?

Kein Zweifel, Computer, Tablet und Smartphone sind ein Segen. Oder kommt bei dieser uneingeschränkt positiven Behauptung doch ein wenig Zweifel auf? Weil wir an all den Datenmüll denken müssen, der sich da mit der Zeit angesammelt hat. Weil wir demnächst mal wieder ein paar Apps löschen wollen, die wir nie nutzen, aus welchen Gründen auch immer.

Weil die Urlaubsfotos der Freunde zumindest mit einem ‚like’ oder Herzchen quittiert werden wollen. Weil wir vor der Flut von Junk-Mails und dem beständigen Hinweis auf Cookies inzwischen resigniert haben. Oder weil die Werbung für Katzenfutter nervt, wenn man eine Katze weder hat noch haben will. (Das ist jetzt nicht gegen Katzen gemeint. Wir mögen Katzen. Ehrlich.)

Schluss mit Ratlosigkeit

Es gibt halt Sachen in der digitalen Welt, die nerven. Einigen wir uns deshalb darauf, dass Computer, Tablet und Smartphone ganz nützlich sein können. Nicht nur, um Wartezeiten auf unterhaltsame Art zu überbrücken, um Langeweile gar nicht erst aufkommen zu lassen – oder gar Ratlosigkeit. Sondern weil sie uns mit der Welt um uns herum verbinden, uns teilhaben lassen. Und uns mit den Inhalten versorgen, nach denen wir suchen, Katzenvideos genauso wie Reparaturanleitungen.

Mindestens genauso bedeutsam ist, dass uns Computer, Tablet und Smartphone jenseits von Telefon und persönlicher Begegnung helfen, miteinander in Kontakt zu bleiben. Und das kann sowohl angenehm als auch praktisch und nützlich sein.

Die weniger wichtigen Dinge

Wenn wir zum Beispiel in der Familie einen gemeinsamen Kalender führen, damit jeder weiß, was wann anliegt. Aber auch, wenn wir uns gegenseitig auf dem Laufenden halten. Das muss auch nicht immer ganz furchtbar ernst und wichtig sein. Denn über die weniger wichtigen Dinge reden wir ja schließlich auch, wenn wir uns völlig analog in der realen Welt treffen, bei einer Tasse Cappuccino oder einem Glas Bier.

Wollen wir also fair bleiben und die positiven Effekte der Digitalisierung wertschätzen. (Das Thema Datensammlung und Privatsphäre lassen wir mal kurz außen vor. Man muss sicherlich über wichtige Themen reden – aber nicht immerzu.)

Kommen wir stattdessen zurück zum Schwarzen Brett. Im Digitalzeitalter heißt es neudeutsch Messenger und speziell die Gruppen-Funktion kann ein Segen sein. Diese positive Bemerkung lassen wir ohne Einschränkung so stehen.

Die Gemeinsamkeit zählt

Denn der Messenger bewährt sich nicht nur beim schnellen Info-Austausch innerhalb der Familie, mit ausgewählten Freunden und Bekannten. Sondern überall dort, wo Menschen etwas gemeinsam haben: Weil Kinder dieselbe KiTa besuchen, unter Nachbarn, Mitgliedern eines Vereins, Teilnehmern einer Veranstaltung.

Es ist schon ganz nützlich, wenn wir für unsere gut erhaltene Wickelkommode unter Nachbarn einen dankbaren Abnehmer finden – anstatt sie mit schlechtem Gewissen zu entsorgen, nachdem die drei Leute, die wir angesprochen haben, dankend abgewunken haben.

Genauso nützlich ist es, wenn wir uns sonntagnachmittags von unseren Nachbarn unkompliziert ein paar Zehen Knoblauch leihen können, für unsere legendäre Mayonnaise. Oder einen 16er Schraubenschlüssel, zu welchem Zweck auch immer.

Nützlich – weil einfach und schnell

Noch besser, wenn wir alle Mitglieder unseres Vereins mit einem Schlag wissen lassen können, dass uns das Fitness-Studio nebenan ein spezielles Probetraining anbietet, kostenlos und unverbindlich. Oder wenn Eltern auf einfachem Weg schnell erfahren, wenn in der KiTa gerade mal wieder ein Virus umläuft.

Gewollt ist eine kurze Info, schnell und unkompliziert an einne beliebigen Teilnehmerkreis. Die Lösung ist der Gruppen-Chat. Er ist wie ein Schwarzes Brett, nur halt digital und exklusiv für Mitglieder. Auf die Art und Weise, wie das entsprechende Programm mit persönlichen Daten umgeht, sollte man einen genauen Blick werfen.

Am Ende zählt ein gutes Gefühl

Wir möchten sie nicht missen, die kleinen Angebote, Hilferufe und gut gemeinten Hinweise in unseren wenigen Chat-Gruppen. Nicht, weil uns jeder einzelne digitale Aushang dort ausnahmslos brennend interessieren würde. Sondern weil uns das überschaubare Geplätscher von interessanten, mitunter kuriosen Mitteilungen innerhalb eines vertrauten Teilnehmerkreises ein gutes Gefühl vermittelt.

So wie das Klappern einer Schreibmaschine früher. Oder wie das gute alte Schwarze Brett.

Autor: Thomas Reinert

Thomas Reinert

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